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Flirren
Emma Lavigne, curator, president of Palais de Tokyo
2020

Inmitten der weißen Architektur des Centre Pompidou-Metz verwandelt Susanna Fritscher eine der zwischen Boden und Luft schwebenden Galerien in eine imaginäre Landschaft.


Die in Frankreich lebende österreichische Künstlerin, die kürzlich die Räume der Schwebenden Welten der Biennale von Lyon, des Kunstmuseums von Nantes und des Louvre Abu Dhabi in die Immaterialität kippen ließ, erfindet unser ungewisses Verhältnis zur Realität, zu dem, was uns umgibt, zu der Umgebung, die sie hervorbringt, neu und lässt die Atmosphäre mit der Architektur verschmelzen, die flüssig, luftig, vibrierend wird. „Die von mir verwendeten Materialien – Kunststoffe, Folien, Schleier oder Garne – sind so volatil, dass sie mit dem Luftvolumen, das sie einnehmen, eins zu sein scheinen. In dem Spiel, das sie im und mit dem Raum aufbauen, kippt die Materialität und kehrt sich um: Die Luft hat nun eine Textur, einen Glanz, eine Qualität; wir nehmen ihren Fluss, ihre Bewegung wahr. Sie erwirbt eine fühlbare, modulierbare Realität – eine Realität, die fast sichtbar ist – oder hörbar ist in meinen jüngsten Werken, die als Schwingung, Oszillation, Welle, Frequenz beschrieben werden können“, so die Künstlerin.

Sie erforscht das Belüftungssystem des Centre Pompidou-Metz, als sei es ein Organismus, dessen Puls sie spürt. Das Pulsieren der von seinem Metabolismus erzeugten Luft wird zum Rohstoff für eine Choreographie von Linien aus langen Silikonfäden, die das Licht einfangen und reflektieren. Ständig neu erfundene Wellenmuster breiten sich aus und setzen diesen nicht greifbaren Wald in Bewegung, den die Besucher durchqueren können. Das Schiff des Kunstzentrums wirkt als Echokammer und verstärkt die dort zirkulierenden Luftströme, die es in einen immensen Klangkörper verwandeln, ein Blasinstrument, das die aus dem Gebäude austretende Luft erklingen lässt. Dieses empfindsame und kontemplative Belvedere fängt die Bewegungen und Schauer der Natur ein. Als sei Kapillarität im Spiel, schwingen und harmonieren die von diesen unendlichen Silikonlinien erzeugten und von Susanna Fritscher orchestrierten und gebändigten Rhythmen mit denen der passierenden Besucher, die eingeladen sind, sich von der Schwerkraft zu lösen. Auch macht diese Umgebung die Instabilität der Gegenwart spürbar, und ihr Zittern ist ein Präludium möglicher Aufstände oder eine Einladung dazu.